Wenn Jesus tatsächlich der versprochene Erlöser ist, dann hat dies Auswirkungen und Bedeutung für Dein Leben hier auf der Erde.
Zu unserem Bibeltext in Kolosser 1: 15-20 hielt Pfarrer JB eine Predigt an Karfreitag. Die adaptierte Predigt gibt es hier zum nachlesen:
Jesus, Herr der Herren in der Himmelswelt, der die Macht auf Erden fest in Händen hält. Autorität, die ewig steht, so bist nur du, König Jesus.
Albert Frey
Vielen Dank Euch für dieses eindrückliche Lied, das so gar nicht zu dem zu passen scheint, was die Menschen damals auf Golgatha mit ihren Augen sahen: den gekreuzigten Jesus, ein Bild des Jammers. Wir haben es in der Schriftlesung gehört und es diese Woche in den Passionsandachten bedacht. Ein Haupt voll Blut und Wunden, wie der Kirchenchor so schön gesungen hat, ein gemartertes geschlagenes Gotteslamm, voller Hohn und Spott der Welt, wie wir es in der Schriftlesung gehört haben. Unser König Jesus hängt ohnmächtig am Kreuz, lässt sich demütigen und vorführen, stirbt den schlimmsten und schmachvollsten Tod, den man sterben kann.
Viele Theologen sehen gerade in dieser Machtlosigkeit die Kraft Jesu, in der unbezwingbaren Liebe, im stillen Aushalten und Ertragen des Unrechts, in der unbeugsamen Haltung Jesu bis zum Tod am Kreuz. Aber ist das alles? Ist Jesus für uns das Vorbild, dass man seine Ideale nicht verleugnet, auch wenn es die schlimmsten Konsequenzen nach sich zieht? Feiern wir Karfreitag, weil sich Jesus am Kreuz solidarisch gezeigt hat mit allen Leidenden dieser Erde? Ist er ans Kreuz gegangen, weil er zeigen wollte, dass er auf der Seite der Armen und Schwachen, der Machtlosen und Benachteiligten steht?
Ist Jesus so etwas wie eine Mischung aus Mahatma Ghandi, Mutter Theresa und Martin Luther King?
Das könnte man denken, wenn man nur das sieht, was vor Augen ist, das, was die Menschen damals sahen und was jeder Mensch auch heute noch nachvollziehen kann: Da ist ein beeindruckender Lehrer, der eine neue, revolutionäre Lehre gebracht hat, die die Menschen begeistert, die sie verändert, die sie zu besseren Menschen macht. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst, ja liebe sogar deine Feinde! Was Du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Das sind alles gute und wichtige Worte Jesu, aber ist das alles? Ist das sein Auftrag, sein Lebensziel?
Uns ist heute zum Karfreitag ein Wort aus dem Kolosserbrief gegeben, das tiefer geht, das eine Dimension von Jesus zeigt, die gerade an Karfreitag auf den ersten Blick so gar nicht zu dem passen will, was wir mit unseren menschlichen Sinnen erfassen können.
Ich lese aus dem ersten Kapitel des Kolosserbriefes ab Vers 15:
15Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. 16Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. 17Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. 18Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei. 19Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte 20und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
König Jesus, ein machtvoller Herrscher. Er überragt alles, was wir kennen und wissen. Alles ist ihm untertan, alle Fülle ist in ihm. Wie passt das zusammen? Der mächtige König der Ehren, der Herr der Heerscharen hängt am Kreuz? Ist das Kreuz nicht ein Zeichen des Scheiterns, ein Zeichen der Grenze menschlichen Idealismus? Bevor wir diese Frage bedenken, schauen wir erst auf das, was hier über Jesus gesagt wird.
Jesus, das Ebenbild des unsichtbaren Gottes
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. So setzt Paulus ein. Welch ein Anfang! Der heilige Gott ist unverfügbar, wer ihn gesehen hat, musste sterben, so die Erfahrung und Überzeugung des Alten Testaments. Niemand hat Gott je gesehen (Joh 1,18), so bezeugt es uns Johannes zu Beginn seines Evangeliums. Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann. Von seinem Angesichte trennt uns der Sünde Bann – so dichtete Jochen Klepper in Anlehnung an den ersten Timotheusbrief (1. Timotheus 6,15f.). Wir können Gott nicht sehen, er ist nicht sichtbar, aber in Jesus Christus hat er sich sichtbar gemacht. Jesus ist Gottes Ebenbild – wer mich sieht, der sieht den Vater, so hat es Jesus zu seinen Jüngern gesagt (Joh 14,9). In Jesus begegnet uns Gott. Was bedeutet das für uns? Zum Einen zeigt es uns, wie wichtig die Person Jesus für uns ist. Er ist nicht deswegen wichtig für uns, weil er gute Dinge gesagt hat. Das ist ja oft die falsche Herangehensweise an die Bibel. Sie ist nicht deshalb für uns wichtig, weil gute Dinge darin stehen. Das zwar auch, aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist: Jesus und sein Wort sind deshalb für uns wichtig, weil dadurch Gott mit seiner ganzen Autorität zu uns spricht. Das ist besonders dann wichtig zu wissen, wenn er etwas zu uns sagen will, was uns nicht schmeckt. Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Was er sagt hat, nicht nur deshalb Autorität über uns, weil es uns guttut, weil es uns logisch erscheint oder weil wir es gut und interessant für unser Leben finden. Was Jesus sagt, hat Autorität, weil Gott durch ihn und sein Wort spricht, weil er das Sprachrohr Gottes ist. Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Das bedeutet für uns zweitens, dass der unsichtbare Gott für uns nur in Jesus sichtbar wird. In Vers 19 heißt es: Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte – was bedeutet das? Die Fülle oder griechisch: Das Pleroma war bei den Griechen ein wichtiger Begriff in ihrer Religion und Philosophie. Die Fülle beschreibt dabei alles Göttliche in den verschiedenen Ausprägungen – es ist also ein sehr weiter religiöser Begriff. Das begegnet uns ja auch heute: Jeder hat seine eigenen religiösen Vorstellungen, es gibt wenige Menschen, die nicht religiös sind, sondern eine Fülle religiöser Vorstellungen in unserer Gesellschaft, die alle gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Wir haben als Christen keine Probleme, wenn wir da mitmachen und sagen: das ist alles ok – jeder soll nach seiner Facon selig werden. Aber Gott hat es wohlgefallen in Jesus alle Fülle der Gottheit wohnen zu lassen – nicht in jeder religiösen Vorstellung ein bisschen. Alles in Jesus – so wie auch Petrus in der Apostelgeschichte bekennt:
Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.
Apostelgeschichte 4:12
Das ist das anstößige Bekenntnis – nicht nur damals, auch heute. In Jesus alle Fülle, in keinem anderen das Heil, er allein ist das Ebenbild Gottes, nur durch ihn können wir Gott erkennen. Wir können nicht durch das Alte Testament allein und auch nicht durch den Koran Gott erkennen – das ist ja die falsche Fährte der Rede von den drei monotheistischen Weltreligionen. Ohne Jesus können wir Gott nicht finden, ihn auch nicht teilweise erkennen. Ohne Jesus finden wir vielleicht religiöse Erfahrungen, aber nicht Gott, den Herrn, den Schöpfer von Himmel und Erde.
Jesus der Schöpfer des Universums
Wenn wir das ernstnehmen, dann verstehen wir auch das, was Paulus weiterschreibt: in ihm ist alles geschaffen, durch ihn und zu ihm hin. Damit liegt Paulus wieder auf der Linie von Johannes, der zu Beginn seines Evangeliums schreibt:
1Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
Johannes 1,1–3
Und ein paar Verse weiter bekennt Johannes: dieses Wort ist Jesus!
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,14
Wir können also nicht auftrennen zwischen Gott, dem Schöpfer und Jesus, dem Erlöser. Ganz im Gegenteil: Alle Dinge sind durch Jesus gemacht, in ihm und durch ihn hat Gott Himmel und Erde geschaffen – und noch mehr: zu ihm hin hat er alles geschaffen. Gottes ganzer Heilsplan läuft auf Jesus zu, wie es auch im Römerbrief heißt:
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.
Röm 11,36
Deshalb ist er auch der Anfang, der Erstgeborene, in allem der Erste – in der Industrie würde man sagen: ein Prototyp der neuen Schöpfung. Durch ihn hat Gott alles mit sich versöhnt im Himmel und auf Erden, durch sein Blut am Kreuz machte er für uns Frieden mit Gott. Jesus ist der archimedische Punkt der Heilsgeschichte, an ihm entscheidet sich alles – damals und heute, auf ihn läuft alles hinaus. Es führt kein Weg an ihm vorbei.
Und noch mehr: es ist alles durch ihn und zu ihm hin geschaffen. Vom Griechischen her ist damit nicht nur ein Vorgang in der Vergangenheit gemeint, sondern etwas, das bis in die Gegenwart noch wirkt. Also Jesus ist nicht nur der Schöpfer und das Ziel der Schöpfung, sondern er ist auch derjenige, der die Schöpfung erhält und bewahrt. Deshalb heißt es auch in Vers 17: alles besteht in ihm. Wörtlich übersetzt müsste man sagen: Alles ist in ihm zusammengefügt, er ist der Garant dafür, dass die Welt in ihrem Gefüge bleibt. Was ist das für eine Zusage und gleichzeitig auch eine gewaltige Absage an alle Weltuntergangsprophetien. Unser Herr Jesus Christus hält Himmel und Erde zusammen, in ihm hat alles Bestand. Er hat nicht nur alles Sichtbare und Unsichtbare, Throne, Herrschaften, Mächte oder Gewalten geschaffen. Er hat auch alle Macht über alles, er hält alles am Laufen. Er sorgt dafür, dass die Welt nicht im Chaos versinkt.
Eine gewaltige Macht und Stärke, die uns Paulus hier vor Augen malt. Was für ein Herr! Was für ein mächtiger Herrscher ist dieser Jesus!
Und dann schauen wir heute am Karfreitag auf das Kreuz und sehen diesen blutüberströmten ausgemergelten ohnmächtigen Menschen. Wie passt das zusammen?
Jesus, der Gekreuzigte
Wir haben es gestern Abend gehört – er hätte es doch allen zeigen können, hätte all seine Macht demonstrieren können, hätte Feuer vom Himmel regnen lassen können, hätte die Naturgewalten für ihn sprechen lassen können. Aber dieser mächtige Herrscher, Schöpfer von Himmel und Erde lässt sich von seinen Geschöpfen quälen, verspotten und am Kreuz umbringen.
Das Kreuz, die Schmach und Pein Jesu ist für uns das zentrale Symbol unseres Glaubens, weil dadurch ein göttliches Prinzip deutlich wird: Gott handelt „sub contrario objectu“, unter dem gegenteiligen Gegenstand, wie es Luther in seinem Streit mit Erasmus formulierte. Was heißt das?
Luther erklärt es so: „Damit also dem Glauben Raum gegeben wird, ist es nötig, dass alles, was geglaubt wird, verborgen wird. Es ist aber nichts tiefer verborgen, als [wenn es] unter dem gegenteiligen Gegenstand, der gegenteiligen Sinneswahrnehmung und Erfahrung [verborgen wird]. Und so handelt Gott: Wenn er lebendig macht, tut er dies, indem er tötet; wenn er rechtfertigt, tut er dies, indem er schuldig spricht; wenn er in den Himmel führt, tut er dies, indem er in die Hölle hinabführt, wie die Schrift sagt: ‚Der Herr tötet und macht lebendig, er führt in die Hölle und aus ihr heraus‘ 1Sam 2“.
Gott handelt also so, dass alle Welt das Gegenteil seines Handelns sieht. Das ist ja der Grund, warum wir heute, am Karfreitag, Gottesdienst feiern. Dass der höchste Festtag der Christenheit der Tag des Todes Jesu ist. Weil Jesus gestorben ist, können wir leben. Für alle, die am Kreuz vorbeigekommen sind, war klar: Jesus ist mit seinem Anliegen gescheitert. Sein Tod hat für alle Welt scheinbar klar gemacht: Er war nicht der Messias. Aber gerade sein Tod am Kreuz hat das größte Problem der Menschheit gelöst, sein Tod am Kreuz hat für uns Sünder den Weg zu Gott wieder frei gemacht. Was vor aller Welt als Scheitern galt, ist vor Gott der entscheidende Sieg. Was bedeutet das für uns heute?
Jesus für uns
Auch heute noch gilt dieses Prinzip Gottes. Gott wirkt oft durch den gegenteiligen Gegenstand. Das heißt: Gott ist nicht nur dann mit uns, wenn alles in unserem Leben glatt läuft. Oft begegnet uns Gott gerade in den Krisen, in den schweren Stunden des Lebens, gerade dann, wenn wir ihn nicht spüren. Vielleicht führt uns Gott auch in finstere Täler, so dass wir merken, dass wir ihn brauchen, dass wir auf ihn angewiesen sind, dass wir nicht alles aus eigener Kraft meistern können. Im 2. Korintherbrief schreibt Paulus, dass seine Kraft in den Schwachen mächtig ist (2. Kor. 12,9). Das ist kein Trostpflaster für erfolglose Christen. Das ist ein Prinzip Gottes. Schwäche ist kein trostloser Zustand. Schwäche ist der ideale Nährboden für Gottes Kraft, dafür, dass wir nichts mehr aus eigener Kraft tun können, sondern uns endlich an Gott wenden und alles von ihm erwarten. In seiner größten menschlichen Ohnmacht vollbrachte Jesus das größte und entscheidende Heilswerk für die gesamte Menschheit. Was kann Gott also alles aus meiner Schwäche, aus meinem Versagen und Scheitern machen, wenn ich es ihm bringe?
Jesus ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei. Das heißt für uns, dass es nach dem Anfang weitergehen muss. Wenn es einen Ersten gibt, muss es auch zweite und dritte, vierte und fünfte geben. Jesus hat den Anfang gemacht und viele sind ihm gefolgt. Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist es, der uns verbindet – und deshalb sind wir mehr als ein Verein oder eine politische Partei, die sich durch gemeinsame Hobbys oder Ziele definiert. Uns verbindet, dass wir Jesus nachfolgen, dass wir am Ende unseres Lebens bei ihm ankommen wollen, dass wir ihm dorthin folgen wollen, wo er als der Erstling vorausgegangen ist. Er hat uns den Weg gebahnt, den wir gemeinsam gehen. Von daher sind wir als Gemeinde Jesu eine geistliche Gemeinschaft. Es geht nicht um Gebäude oder Strukturen, nicht um Formen oder Organisationen. Das ist ja auch immer die Kritik, gerade von uns Frommen. […] Aber uns verbindet doch keine Organisation, auch kein Gebäude.
Uns verbindet unser Herr und Heiland Jesus Christus. Uns verbindet das, was auf Golgatha geschehen ist. Uns verbindet, dass Jesus für uns Frieden gemacht hat durch sein Blut am Kreuz, dass er für uns den Weg zu Gott wieder frei gemacht hat. Uns verbindet, dass er all das für uns erlitten hat.
Jesus Christus, der Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erde, Jesus Christus, durch den allein wir den unsichtbaren Gott erkennen können, Jesus Christus, das Haupt der Gemeinde, der uns alle miteinander verbindet. Dieser Jesus will auch heute Gemeinschaft mit uns haben. Wie können wir eine lebendige Gemeinde bleiben und werden?
Indem jeder einzelne von uns in Verbindung bleibt mit Jesus, dem Haupt der Gemeinde. Indem wir immer wieder einen Neuanfang mit ihm machen, ihm immer wieder all das bringen, was uns von ihm trennt, ihn immer wieder um Vergebung bitten und reinen Tisch machen. Dazu hat Jesus das Heilige Abendmahl gestiftet, das wir im Anschluss an den Gottesdienst miteinander feiern wollen. Und dabei kann uns wieder ganz neu im Herzen groß werden, was Johann Heermann vor fast 400 Jahren über Jesu Tod am Kreuz gedichtet hat:
Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe! Der gute Hirte leidet für die Schafe, die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, für seine Knechte.
Johann Heermann
Amen.